Lange Hörner, dickes Fell
10/21: Wandern mit Walliser Schwarzhalsziegen.
Beim Abschied schauen uns dann Heidi und Glöckchen erwartungsvoll mit großen Augen an. Dann kommen sie schnell herbeigelaufen. Inge Rosenkranz zieht eine weiße Tragetasche heraus. Trockenes Brot ist darin. Das ist ein Lieblingsleckerli für die Walliser Schwarzhalsziegen und Belohnung für die gut zwei Stunden lange Wanderung im Westerwald. Seit einigen Jahren bieten Inge und Johannes Rosenkranz aus Derschen geführte Wanderungen mit ihren Walliser Schwarzhalsziegen an. Angefangen haben die Tierfreunde mit Zucht und Landschaftspflege.
Die klugen und ruhigen Tiere schützen Wiesen und Weiden im Westerwald gegen die Verbuschung. Der aktuelle Standort der kleinen Ziegenherde ist dann Ausgangspunkt der geführten Wanderungen. Das kann Derschen, Emmerzhausen oder auch Friedewald sein. Deshalb sind die Wanderstrecken auch unterschiedlich lang. So eine entspannte, ja fast meditative Wanderung dauert rund zwei bis drei Stunden. Im schönen Daadetal bin ich mitgewandert. Es war wunderbar.
Reportagetext: Neun Ziegen schauen neugierig auf die kleine Gruppe, die den Wiesenhang hochgeht. Einige Tiere reiben sich an morschen, alten Ästen anderen kommen herangelaufen. Ein Stromzaun schützt die Ziegen, die hier auch die Sommernacht verbringen.
Enkelin Marlena (4) streichelt Heidi, das „Nesthäkchen“ der Herde, während die Border-Collies Amelie (11) und Alma (4) am Zaun entlang rennen, als ob sie sagen wollten: „Wann geht es endlich los“? Johannes Rosenkranz macht den Elektrozaun auf und legt Glöckchen, der Leitziege der Herde, eine Leine an.
Das Leittier der Herde ist besonders sanftmütig und ausgeglichen. Dann geht es auch schon los und wir queren ein den Seltersberg, ein Waldstück bei Emmerzhausen. Bücken, Ausweichen, Zweige zur Seite drücken - gemütlich geht es durch den dichten Wald voran. Border Collie Amelie läuft voran, die braune Alma hinter der Herde.
Zwei Ziegen haben kleine Schellen um, die leise aber gut vernehmbar sind in der Stille des Waldes. Das eine oder andere Blatt fressen die Tiere quasi im Vorbeigehen, doch Pause macht die Herde vorerst nicht. Dafür sorgen die zwei Hütehunde.
Johannes Rosenkranz gibt kurze Kommandos an die zwei Collies und bestimmt so Tempo und Richtung der Wanderung. Nach einem kurzen Anstieg haben wir einen schmalen Wanderpfad erreicht, der wunderschöne Ausblicke auf das Daadetal bietet.
Die Sonne zwinkert hinter dichten Wolken hervor, im Tal ist Emmerzhausen zu sehen. Eine schöne Stelle, um das eine oder andere Foto zu machen. Die Ziegen nutzen die kleine Pause und laben sich an den Blättern und Zweigen der umliegenden Büsche und Bäume.
Neben Gras und Kräutern mögen die Schwarzhalsziegen Disteln und Blätter von Ahorn und Buche ganz besonders, verdeutlicht Inge Rosenkranz. Bei den Wanderungen sind übrigens nur weibliche Ziegen dabei, während die zwei Ziegenböcke ausschließlich der Zucht dienen und im Dorf sind.
Jede Ziege hat übrigens ihren eigenen Charakter. Leyla (11) ist besonders einfühlsam und geduldig, Mathilda (7) sehr intelligent und ruhig. Ihr Verhalten gegenüber Menschen ist auch individuell und reicht von scheu und zurückhaltend bis verschmust oder sehr neugierig.
Einige Tiere erklimmen inzwischen einen kleinen Hang und suchen sich neue Triebe. Enkelin Marlena klettert hinterher, streichelt die Tiere am langen Bart und packt sie an den Hörnern. Den Ziegen macht das nichts aus, sie sind geduldig, genügsam und einfühlsam gegenüber Menschen und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen.
Wir wandern weiter auf die Emmerzhauser Stirn. Der schmale Pfad wird zu einem Forstweg. Die Tiere haben Ausdauer, länger zu laufen mache ihnen nichts aus, erläutert Johannes Rosenkranz.
„Wir haben außer den Collies noch Hühner. Vorwerk heißt die Rasse und ist sehr alt. Die Tiere können alle gut miteinander. Im Winter, wenn die Ziegen hier bei uns in Derschen sind, laufen die Hühner mittendrin herum. Im Winter gibt es dann vermehrt Rübenschnitzel als Nahrung“, erzählt Inge Rosenkranz.
Neben der Zucht wird die kleine Herde überwiegend in der Landschaftspflege eingesetzt. So schützen die Ziegen Wiesen und Weiden gegen Verbuschung. Das sind dann in der Regel schwer zugängliche Flächen im Daadener Land, die die Herde alle zwei bis drei Wochen im Wechsel abweidet.
Auf die Wanderungen sind die Derschener Tierfreunde nach Zucht und Landschaftspflege erst später gekommen. „Während eines Familienurlaubs in den Bergen entdeckten wir auf einer Alm Walliser Schwarzhalsziegen, die genüsslich im steilen Hang grasten. Da kam uns die Idee einer eigene Zucht bei uns zu Hause in Derschen.
Es war Liebe auf den ersten Blick“, führt Inge Rosenkranz aus. Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie temperamentvoll und vorwitzig die Tiere sind. Ohne Pflege geht es aber nicht. Hierunter fällt vor allem das Bürsten des Felles, das Einhalten der Impfvorgaben und die regelmäßige Klauenpflege. Die Derschener Ziegen kommen ursprünglich aus Erfurth, Stuttgart, dem Edersee und aus Österreich.
Nach gut eineinhalb Stunden nehmen wir eine Abkürzung quer durch einen schönen Laubwald („In die Angst“) zurück. Die Ziegen rennen immer schneller. „Bleib“ ruft Johannes Rosenkranz Border Collie Amelie zu. Die stoppt und mit ihr auch die Herde. Ganz ruhig ist es hier, vereinzelt sind Vögel zu hören, es riecht ein wenig nach Wildschweinen. Gemütlich gehen wir oberhalb vom Gewerbegebiet zurück zum Gatter. Die Schellen klingeln leise unentwegt weiter, der Wind raschelt in den Blättern – Entspannung pur.
Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite von Familie Rosenkranz: www.schwarzhalsziegen-derschen.de